Wenn wir die Nachrichten im Fernsehen, im Internet oder der gedruckten Presse konsumieren, dann bekommen wir manchmal das Gefühl, wir leben in einer Welt, die ihre besten Zeiten schon hinter sich hat. Klimawandel, der Abbau der Regenwälder und Gift in der Luft sind medial allgegenwärtig. Und je mehr wir dieses Bild von der Welt mit uns tragen, desto schwieriger wird es, den klaren Blick auf die Schönheiten zu schärfen, die uns umgeben. Ohne aktuelle Krisen klein zu reden: Unsere Welt ist schön. Sie ist wunderschön. Landschaftsfotografie ist die Kunst, diese Schönheit nicht nur abzubilden. Der Landschaftsfotograf erfindet diese Schönheit neu. Durch seinen ganz persönlichen und unverwechselbaren Blickwinkel. Ein Blick, der jedes Foto zu einer einzigartigen Komposition macht. Darin liegt die Kunst des Landschaftsfotografen.
Landschaftsfotografie ist eine Kunst
Wieso eine Kunst? Mögen Sie jetzt vielleicht fragen. Wir alle machen doch jetzt Fotos. Dafür braucht es keine große Ausrüstung, das Smartphone kann all das. Und es ist auch viel einfacher zu bedienen als eine „richtige“ Fotokamera. Einstellen des Focus oder sogar noch ein Weiß-Abgleich? Das ist doch Vergangenheit. Das Handy macht das alles ganz alleine. Und die Qualität dieser Allrounder ist oft erstaunlich. Zumindest in technischer Hinsicht machen Smartphones oft Fotos, die sich hinter den Bildern der günstigeren Fotokameras nicht verstecken zu brauchen. Und das Handy lässt sich in jeder Hosentasche transportieren und wenn ein schönes Motiv auftaucht, dann ist das Foto auch schnell gemacht. Und dann: Ab damit in die sozialen Netzwerke. Die älteren von uns posten das bei Facebook, die jüngeren bei Instagram. Oder am besten überall, wo wir einen Account haben. Und dann gibt es „likes“ und Kommentare. Das Futter für unsere geltungsbedürftige Seele.
Ein Foto von einer schönen Landschaft mit dem Handy erstellen. Ist das auch Landschaftsfotografie? Ja, auch so kann Landschaftsfotografie entstehen. Doch meistens sind das eher Schnappschüsse für den Alltagsgebrauch.
Professionelle Landschaftsfotografie bedeutet mehr und hat viel höhere Anforderungen an Gestaltung und Technik. Der Landschaftsfotograf muss
- die richtige Perspektive finden,
- die Kamera richtig einstellen,
- den passenden Moment abwarten,
- den eigenen Standpunkt im Foto finden,
- die besonderen Eigenheiten der Landschaft erfassen,
- und manchmal auch sehr früh aufstehen und sehr weit laufen.
Im Großen und im Kleinen
Im Zusammenhang mit der Landschaftsfotografie denken wir zunächst natürlich an große und weitläufige Naturaufnahmen. Aber die Großartigkeit von Landschaften entfaltet sich oft auch im Kleinen. In der richtigen Perspektive. In der richtigen Zeit. Der Landschaftsfotograf interagiert mit der Natur und mit der Landschaft. Auf neue Situationen und auf interessante Ereignisse. Das ist ein ständiger Dialog mit der Natur. Dort, wo das Herz den Fotografen hintreibt, dort entstehen auch die einzigartigen Fotos.
Das Beitragsbild stammt mit freundlicher Genehmigung von Sylvia Knittel. Weitere Bilder über Landschaftsfotografie finden Sie auf ihrer Webseite.
Landschaftsfotografie und das Wetter
Landschaften zu fotografieren, das bedeutet auch immer, das Wetter zu fotografieren. Denn das Wetter verändert jede Landschaft. Das ist uns gar nicht immer bewusst, wenn wir durch die Natur streifen. Durch das Wetter bekommt die Landschaft eine neue Farbe, ein anderes Licht oder sogar einen anderen Zustand. Ein Wald im Nebel, eine Wiese im Schnee. Erstaunlich, dass wir Landschaften wiedererkennen, so sehr wie sie sich verändern. Der blaue Himmel, die strahlende Sonne, das sind nicht unbedingt die Lieblinge des professionellen Fotografen. Ja, der Hobby-Fotograf mag sich sagen: „Heute ist das Wetter schön. Die Sonne scheint. Jetzt gehe ich mit der Kamera in den Wald!“ Andere Hobby-Fotografen tun es ihm gleich und das Ergebnis sind dann doch recht ähnliche Bilder. Der professionelle Landschaftsfotograf hingegen weiß, dass dieselbe Landschaft zu jeder Stunde anders aussehen kann. Und natürlich auch bei jedem Wetter.
Landschaftsfotografie als Abenteuer
Die Landschaftsfotografie kann zu einem regelrechten Outdoor-Abenteuer werden. Das ist kein Job für Stubenhocker. Das ideale Licht zeigt sich oft am frühen Morgen. Da gilt es, früh aufzustehen. Faszinierende Winterbilder gibt es nur dann, wenn der Fotograf sich auch bei Eis und Schnee in die Natur begibt. Das gibt schon mal kalte Füße. Wer den Regen fotografieren möchte, muss keine Angst davor haben, auch mal im Regen zu stehen. Der Landschaftsfotograf sollte also nicht aus Zucker sein. Und er liegt auch mal auf dem Boden, um die gewünschte Perspektive einzufangen. Landschaftsfotografie kann auch zur Geduldsfrage werden: Einfach mal abwarten, bis der Schatten die gewünschte Gestalt angenommen hat. Das kann dauern.
Die Aussage eines Fotos
Ein schöner Baum, ein schöner Wald oder ein Fels in der Brandung, die sehen schön aus. Aber sie erzählen nicht notwendigerweise eine Geschichte. Auch dem besten Landschaftsfotografen passiert es zu erkennen, dass ein vermeintlich schönes Motiv am Ende doch gar nicht so interessant ist, wie es auf den ersten Blick scheint. Denn das Foto braucht auch eine Aussage. Die Geschichte, die der Fotograf erzählt. Ein faszinierender Gedanke, die Inspiration. Das unterscheidet die professionelle Landschaftsfotografie von den allgegenwärtigen Schnappschüssen, die uns in den sozialen Medien täglich begegnen. Der Landschaftsfotograf ist ständig aufmerksam. Denn ein Moment vergeht so schnell und oft ist es wichtig, genau diesen einen Moment abzubilden. Und als Foto neu zu komponieren. Als eine Symbiose aus dem, was die Landschaft präsentiert und dem Blickwinkel und der Erzählung der Fotografie.
Kein Foto muss so aussehen, wie ein anderes Foto. Dasselbe Motiv kann immer wieder eine neue Geschichte erzählen. Das Wetter verändert sich, es gibt neue Blickwinkel, Tageszeiten, Jahreszeiten und den Prozess von Wachstum, Alterung und Verfall. Und auch der Fotograf verändert sich und damit sein Blick auf die Landschaft und seine Art, diese zu dokumentieren und Geschichten zu erzählen.